Ein einfacher Wähler gerät zwischen die Fronten
Christoph Kohrt inszenierte das Stück „Der letzte Wähler“ einfach und wirkungsvoll.
Zum politischen Musentempel geriet das „Savoy“ bei der jüngsten Aufführung des Theaters „Zeitgeist“, das mit Detlef Michels Satire „Der letzte Wähler“ einen bittersüßen Blick in das hiesige Demokratiegewerbe wagte und sich dabei mehr an der Realität orientierte, als man zunächst annehmen konnte. Denn Parallelwelten gibt es wirklich, betrachtet man die jüngsten Ereignisse bei der Kieler Ministerpräsidentinnenwahl und die Geschehnisse im Theater. Hier wie dort bildet eine Person das Zünglein an der Waage, sowohl jener unbekannte Abgeordnete wie auch Chemiker Dr. Ulrich Kerbel, der durch ein Versehen keine Wahlunterlagen erhält und trotzdem seinem bürgerlichen Grundrecht nachgehen will. Doch bis zur anstehenden Wahl hat er die Rechnung ohne die einflussreichen Lobbyisten gemacht, und so wird der bevorstehende Urnengang zu einem wahren Albtraum. Jörg Agne spielt den unfreiwillig in die Bredouille geratenen Gutmenschen und stattet ihn gekonnt mit den Attributen eines Normalos aus, der sich entscheiden muss, aber einfach nicht kann. Im weißen Unschulds-Chemiker-Kittel oder im braven Biedermeier-Anzug tapst er durch eine institutionelle Welt, wird bedrängt von seiner Chefin (Kirsten Paulsen), einer Anwältin (Carina Hamann), wird in einer galligen Talkshow von einem überdrehten Moderator (Eine starke Leistung von Patrick Hofmann als showmasterndem Holland-Export) vorgeführt. Clever nutzt Regisseur Christoph Kohrt die reale Überrumpelungstaktik vieler Politfänger für seine Inszenierung, lässt die Szenen im spartanischen Bühnenbau wie prägnante Schlaglichter auf das Publikum einprasseln und verstärkt so die Identifikation mit der hilflosen Hauptfigur. Da schadet es auch nichts, wenn nicht zuletzt durch die poppige Musik des Kieler Bühnenmusikers Harry Kretschmar die Akteure völlig losgelassene Revuenummern präsentieren dürfen (Ingo Strenge und Matthias Linke als „Agenten-Lose“). Am Ende wird dem mündigen Wahlmenschen die Entscheidung abgenommen, ist seine Stimme unwichtig geworden, doch schreitet der Fortschritt weiter, in guten wie in schlechten Zeiten. Im Theater wie in der Kieler Politik.
(19.04.05) Holsteiner Courier
Von wegen politikverdrossen
Plöner Theater Zeitgeist erntet reichlich Jubel für Polit-Satire „Der letzte Wähler“
Plön – Es gibt anscheinend keine Spur von Politikverdrossenheit in Plön. Trotz des „Kieler Wahldebakels“, dem überraschend eindeutigen Ausgang der Plöner Bürgermeisterwahl oder der kommenden Landratswahl ist, besuchten 170 stimmberechtigte Theaterbesucher freiwillig eine weitere Wahlveranstaltung. Am Freitagabend feierte das Theater Zeitgeist eine umjubelte Premiere mit der Polit-Satire „Der letzte Wähler“. „Es ist das richtige Stück zur richtigen Zeit und zeigt auf humorvolle Weise mit ernsten Zwischentönen die Zerrissenheit eines Wählers, der seine Entscheidung aufgrund eines Wahlkampfes abwägen soll“, formulierte Plöns stellvertretende Bürgervorsteherin Karin Wandelt ihren ersten Eindruck. In einigen Szenen habe sie auch eigene Verhaltensmuster wieder erkannt. „Es tut gut, die Erinnerungen an die jüngsten Wahlkämpfe aufzulockern und mit etwas Abstand auch mit einen Schuss Humor zu verarbeitet“, so Wandelt weiter.
Die typischen Phrasen der Politiker...
„Es macht schon etwas betroffen, wenn man mit den typischen Phrasen vieler Politiker konfrontiert wird“ stellte die Kreistagsabgeordnete Marion Höpner (SPD) fest. Und leider halte dieses Geschwätz auch immer mehr Einzug in die kleine Kommunalpolitik. „Es ist eine gute Anregung, um lachend über die eigene Position nachzudenken. Eigentlich sollte sich jeder politisch interessierte Bürger dieses lustige Lehrstück anschauen“, so Höpner. Das Stück ist nicht speziell für Plön geschrieben. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen oder jüngsten Vorkommnisse sind natürlich rein zufällig, betonte Zeitgeist Regisseur Christoph Kohrt. Einige Zufälligkeiten: Die Bürgermeisterkandidaten auf der Bühne weisen nicht nur auffällige Namensähnlichkeiten mit der Wahl vor fünf Monaten auf, auch einige Redewendungen und Gesten der damaligen „Hauptdarsteller“ dienten den Schauspielern offensichtlich als Vorlage. Selbst die Aula wurde als „Originalschauplatz“ für eine Szene im Stil der damaligen Podiumsdiskussion genutzt. Und auch das Publikum wurde in das Spiel integriert. „Früher war ich Moderator für die Einen, heute bin ich Animateur für die Anderen, natürlich habe ich mein Mandat mitgenommen“, erläuterte Kohrt, während er in den Zuschauerreihen für die Parteien (die Einen und die Anderen) warb. Derartige Anspielungen auf aktuelle Plöner Geschehnisse – ein Ratsherr wechselte gerade einschließlich seines Mandats von der FWG zur CDU – quittierte das Publikum mit spontanem Applaus. Höpner: „Das Theater hat mit vielen Pointen wieder einmal den Zeitgeist getroffen.“